Leidenschaft für die emissionsfreie Zukunft

Tim Karcher ist Vorstand der innolectric AG und prägt das Unternehmen seit seiner Gründung. Was treibt innolectric an? Was motiviert Tim und sein Team, um die Elektromobilität mit eigenen Produkten voranzubringen? In einem Interview beantwortet er diese Fragen.

Tim, wie bist du mit dem Thema Elektromobilität und emissionsfreie Fortbewegung zum ersten Mal in Berührung gekommen?

Ich bin eher ein Quereinsteiger. Begonnen habe ich mit einer Ausbildung als Bauzeichner für den konstruktiven Ingenieurbau. Gelernt habe ich noch die alte Schule, also mit Tusche auf Transparentpapier zu zeichnen. Um mich noch deutlich weiterzuentwickeln, fing ich danach ein Studium im Bereich Wirtschaftsingenieurswesen in Bochum an.

Während meines Studiums an der Hochschule Bochum bin ich durch das SolarCar Projekt das erste Mal mit Elektromobilität in Berührung gekommen. Der damalige Teamchef hielt am Campus einen Vortrag zum Projekt. Ich war gleich fasziniert von der Möglichkeit, Teil des Teams zu werden.

Warum hat dich dieses Thema so begeistert?

Das ganze Projekt hat mein grundsätzliches Verständnis von Automobilen komplett auf den Kopf gestellt: Ein Auto nur mit Sonnenlicht fahren zu lassen, und zwar nicht mit Schrittgeschwindigkeit sondern mit über 100 km/h und Durchschnittsgeschwindigkeiten von 50 km/h auf Langstrecke. Das klang zu schön, um wahr zu sein – ist es aber!

Was mich besonders motiviert hat, war unser interdisziplinäres Team. Ich habe zwar ein Ingenieurstudium absolviert, mein Schwerpunkt liegt aber klar im Management. Hier konnte ich mit so vielen Disziplinen gemeinsam etwas bewirken und nach einigen Monaten habe ich dann in voller Verantwortung die Teamleitung übernommen. Während der Entwicklung unseres Fahrzeugs haben wir uns die Frage gestellt, ob man mit solch einem Auto auf der ganzen Welt und unter anderen Bedingungen als im sonnigen Australien fahren kann. Wie weit wird man kommen? Diese Frage und alles, was darauf folgte, hat für mich die Elektromobilität an oberste Stelle gestellt und war wegweisend.

 

Aus diesem Gedanken ist nämlich etwas Einmaliges und Großartiges entstanden: Wir haben als erste Hochschule den Status eines Fahrzeugherstellers erreicht, indem wir eine vollständige Straßenzulassung für unseren Wagen realisieren konnten. Wir hatten Hilfe aus der Politik, Wissenschaft und von Prüfinstitutionen: Alle glaubten an das Ziel und haben es gemeinsam möglich gemacht. Durch die Zulassung konnten wir unsere Idee, zu zeigen, dass ein solarbetriebenes Auto weltweit genutzt werden kann, umsetzen und haben den Status Quo der Mobilität in Frage gestellt. Aber die Zulassung war nur ein „Mittel zum Zweck“. Wir haben es geschafft, mit dem solarerzeugten Strom des Fahrzeugs, eine komplette Weltumrundung zu schaffen. Von Herbst 2011 bis Dezember 2012 sind wir von Australien aus einmal um den Globus gefahren. Dafür sind wir mit einem Guinness Weltrekord ausgezeichnet worden, den vermutlich niemand so schnell schlagen wird! Von da an war für mich klar, dass ich die e-Mobilität weiter voranbringen will.

innolectric ist ein junges Unternehmen, das Komponenten für elektrische Fahrzeuge entwickelt und produziert. Das lässt sich mit einem studentischen Projekt kaum vergleichen. Oder gibt es Parallelen?

Das ist richtig. Zwischen einen Studierendenprojekt und einem wachsenden Technologie-Unternehmen wie innolectric liegen Welten. Und dennoch helfen einem die Erfahrungen aus einem solchen Projekt auch im heutigen Business-Alltag weiter. Und ganz wichtig: Wesentliche Tugenden sind dann doch dieselben und gestalten unseren Arbeitsalltag hier im Team. Zuerst einmal baut man kein Unternehmen ohne Engagement auf. Das ist auch keine One-Man-Show, man braucht ein Team, das aktiv an die gleiche Vision glaubt. Spaß an der Arbeit ist essenziell. Seine eigene Arbeit als wertig und nutzbringend zu verstehen, ist ein entscheidenden Motivationsfaktor. Wenn Themen dich nicht loslassen, du dich mit den Inhalten identifizierst und leidenschaftlich dabei bist: Das ist eine enorme Kraft!

 

Die interdisziplinäre Arbeit im Team ist im Unternehmen ähnlich wie im SolarCar Projekt: Software-Entwicklung, Hardware-Entwicklung, Systems Engineering, Projektmanagement, Produktionsmanagement, Marketing, Finance und weitere Aufgabenfelder…. Die Themen sind heute aber deutlich komplexer und größer. Außerdem sind wir keine „Studententruppe“, wie man es jungen Unternehmen gerne mal unterstellt. Die Mischung aus erfahrenen und jungen dynamischen Mitstreitern ist gut für die alltägliche Arbeit. Darüber hinaus ist die Verantwortung deutlich gestiegen. Damals habe ich ein Projekt über drei Jahre verantwortet, heute ist es ein Unternehmen, das um ein Vielfaches größer ist. Aber das motiviert mich und treibt mich an, besser zu werden.

Wenn du auf die letzten Jahre zurückblickst – würdest du dich wieder entscheiden, ein Start-up im Bereich Elektromobilität aufzubauen?

Eine sehr spannende Frage. Aus dem Bauch heraus: Ja! Es ist ohne Frage ein emotionales Thema und ich bin mit Herzblut daran geknüpft. Die Mobilitätsbranche gehört zu den wichtigsten Branchen der Welt und die e-Mobility ist der Aufschlag zu einer disruptiven Marktveränderung. Alte, klassische Prinzipien und Ideen werden plötzlich in Frage gestellt. Das ist bewegend und auch wichtig.

 

Mit der heutigen Erfahrung als Mitarbeiter, Berater und Entscheider würde ich sicherlich vieles anders machen. Meine Grundeinstellung ist aber geblieben: e-Mobility ist die absolute Zukunft – sowohl auf der Straße als auch abseits der Straße und besonders im Bereich der Nutzfahrzeuge. Der Aufbau eines Start-ups ist eine unglaubliche Herausforderung gewesen – entbehrungsreich und fordernd. Am Ende stellt sich bei mir dann doch eine Zufriedenheit ein, die mir sagt: Es hat sich gelohnt!

Titel-Foto: © Julia Scheibeck // junited.photography